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Eine Autofreie „Familien“-Hüttenwanderung vom Brenner ins Zillertal

Oder: Der laaaaange Weg zum Tiramisu

30.07.2022

Die Entspannung begann für unsere „Familiengruppe“ bereits beim Packen: die Teenager verzichteten zu Beginn der Sommerferien auf unsere Gesellschaft und zogen es vor, daheim zu bleiben und so durften wir ‚verwaiste‘ Eltern den Rucksack und die Verpflegung nur für uns alleine packen.

Am Samstag, den 30.7. starteten wir frühmorgens mit der S-Bahn und trafen uns zu fünft am Grafinger Bahnhof. Mit Zügen und einmal umsteigen kamen wir gemütlich nach drei Stunden Fahrt am Brenner Bahnhof an. Der Stau zum Ferienstart auf der Autobahn ließ uns im Zug völlig kalt. Der erste italienische Cappuccino im Bahnhofscafé schmeckte vorzüglich und machte uns fit für die Wanderung.

Nach wenigen Metern hatten wir die laute Autobahn überquert und begannen den Aufstieg ins stille Venntal. Ein Plakat am Wegesrand warb für die „legale Entnahme von Wölfen und Bären“, was bei dem ein oder anderen von uns zu sorgenvollen Blicken führte. Die hielten jedoch nicht lange, denn während der nächsten Stunde „entnahmen“ wir jede Menge Himbeeren und Blaubeeren am Wegesrand und genossen den Blick zurück auf den Brennersee und voraus auf die hohen Berge. Sehr wenige andere Menschen begegneten uns, nur eine verängstigte Wanderin flüchtete vor den neugierigen Kühen, die uns aber problemlos passieren ließen. Auch zwei Murmeltiere konnten wir in nur 3 Meter Entfernung gut beobachten.

Insgesamt 1300 Höhenmeter und knapp 4 Stunden sind es bis zur Landshuter Europahütte, die im Jahr 1899 auf 2693m erbaut wurde. Wie kann man nur auf die Idee kommen hier oben, so exponiert eine Schutzhütte zu errichten? Die für uns plausibelste Erklärung war, dass der Bauplan wohl auf der Landshuter Hochzeit so zwischen drei und vier Uhr morgens entstanden sein muss….

Sehr nette Hüttenwirte, leckeres Essen und ein gemütliches Matratzenlager erwarteten uns. Zum Glück erfuhren wir nach den laut heulenden Winden und dem klappernden Blechdach in der Nacht erst am nächsten Morgen, dass die Hütte in den nächsten Jahren wohl abgerissen werden muss, da der Untergrund wegen des abnehmenden Permafrost zu instabil wird.

Am Morgen zogen wir gut vermummt zur nächsten Etappe weiter, denn es war ziemlich kalt geworden. Wir überquerten die Grenze von Österreich nach Italien und die 1000 Höhenmeter Abstieg ins Tal in Richtung San Giacomo schafften es schnell, dass uns wieder warm wurde. Beim weiteren Aufstieg zur Hochfeilerhütte auf 2710 m begegnete uns eine Herde mit 14 Steinböcken, die wir lange beobachteten. Diese Begegnung und der Gedanke (oder war’s doch eher ein Wunschtraum?) an Tiramisu und Aperol Spritz hielten uns aufrecht. Immerhin machten uns einige entgegen kommende Wanderer entsprechende Hoffnung darauf …
Oben angekommen konnte die sehr komfortable Hütte mit ihrem 3-Gänge-Bergsteigeressen unsere müden Muskeln schnell wiederbeleben.

Dank eines T-Shirts mit Logo der unserer Sektion wurden wir von einer Familiengruppenleiterin der Sektion Haar freudig begrüßt, die mit Freunden und ebenfalls ohne Kinder unterwegs war. Und das nette Hüttenteam stellte uns am Abend auch noch ihren Laptop zur Verfügung auf dem wir die Vize-Europameisterschaft der DFB-Damenmannschaft im Livestream miterleben durften!

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum höchsten Gipfel der Zillertaler Alpen, dem gut 3500m hohen Hochfeiler. Ein entgegenkommender Herr erklärte uns skeptischen, nicht ganz schwindelfreien Wanderern, es sei wie ein Spazierweg nach oben, nur höher. Die im Internet beschriebenen Schneefelder waren in diesem Sommer alle verschwunden so dass der Aufstiegsweg nun ausschließlich auf sandigem und felsigem Untergrund verläuft. Nach unzähligen tiefen ‚Schnaufern‘ und ein paar steile Fels-Passagen später hatten wir das Gipfelkreuz und unser Tagesziel erreicht.

Beim Abstieg konnten wir die tollen Blicke in alle Richtungen genießen. Das Wetter spielte mit und bis auf ein paar Wolken hatten wir eine großartige Sicht. Rechtzeitig zum Mittagessen mit Kaiserschmarrn und einem wohlverdienten und lange ersehnten (!) Gläschen Aperol Spritz oder Rotwein waren wir zurück auf der Hütte.

Der letzte Tag führte uns wieder an den Steinböcken vorbei hinab ins Tal, um dann über das Pfitscher Joch auf- und zum Schlegeis-Stausee abzusteigen durch ein schönes Tal, allerdings mit sehr vielen Wanderern und Mountainbikern.

Bei der Rückfahrt erst mit dem Bus nach Mayrhofen, dann weiter mit einer Lokalbahn und Zug fühlten wir uns an frühere Interrail-Zeiten erinnert. Mit Tischdecke verzehrten wir stilvoll die letzten Käse- und Wurstbrote beim Picknick im Zug.

Eine tolle Tour, danke an unseren Familiengruppenleiter Werner Trax, der alles wie immer bis ins Detail fürsorglich geplant hat und uns Eltern diese Tour auch zugetraut hat. Bei der Nachbesprechung am heimischen Daxenberg gab es dann – dank der „Hüttenwirte“ Corinna und Carsten - den ein oder anderen Aperol Spritz und eeeeendlich das lang ersehnte Tiramisu!

Sabine Kurz